Spannender als man denkt: Selber SchiedsrichterIn im TVN werden
Hohe Jugendquote beim Frühjahrslehrgang 2025 DTB-C- und DTB-B-Lizenz
Die Gruppe im Tenniszentrum Essen könnte rein optisch auch in einer Fahrschule sitzen: jung, mit Stift und Zettel hantierend und aufmerksam blickend. Doch einer sitzt höher und schiedst das vor ihm stattfindende Einzel, während die anderen im Wechsel mitzählen, notieren und selber schiedsen. Praktische Momentaufnahme des zweitägigen DTB-Schiedsrichterlehrgangs im TVN, der vor allem in Sachen Theorie den Teilnehmenden mindestens genauso viel abverlangt wie eine aktuelle Fahrprüfung. Doch am Ende winkt (anders als bei der „Fleppe“ für einen selbst) die Legitimation, Verantwortung und Kontrolle über das gesamte Geschehen auf dem Platz zu haben.

Schiedsrichter im Tennis – ab der Regionalliga und bei Turnieren unerlässlich, aber bei den meisten Breitensportlern doch eher unter dem Radar. Dabei gibt es kaum eine einfachere Möglichkeit, den eigenen vorhandenen Gerechtigkeitssinn praktisch, notwendig und auch mit sichtbarem Erfolg anwenden zu können.

Die Ausbildung zum Schiedsrichter bzw. Oberschiedsrichter scheint dabei auch konkret das Bedürfnis jüngerer Zeitgenossen anzusprechen. „Wir haben Spiele mit strittigen Situationen gesehen“, beschreibt Hannah, Jugendspielerin aus Oberhausen, „und hätten gerne geholfen und auch eingegriffen.“ Daher hat die Siebzehnjährige entschieden, sich beim Lehrgang zur DTB-C-Schiedrichterlizenz in Essen anzumelden – und ihre beiden 15jährigen Brüder direkt ins Schlepptau genommen. Emil aus Essen hingegen hatte bereits einen C-Trainerschein in der Tasche und ist dabei zufällig beim dort obligatorischen Praktikum auf den Geschmack gekommen. „Bei den deutschen Seniorenhallenmeisterschaften habe ich mir alles genau anschauen können und dann festgestellt, dass Schiedsrichter zu sein echt ne coole Nummer wäre“, erklärt der 19jährige, der wiederum von fünf Schiedsrichter- (DTB-C-Lizenz) und zehn Oberschiedsrichteraspiranten (DTB-B-Lizenz) der einzige aus dem Bezirk 5 Essen/Bottrop ist. Die meisten Erwachsenen hatten sich zum Oberschiedsrichter-Lehrgang angemeldet, der Kern der Schiedsrichteranwärter aber ist dieses Mal jünger als Zwanzig.

In erster Linie umfasst die Ausbildung zum Schiedsrichter und Oberschiedsrichter neben dem praktischen Teil das Verinnerlichen der ITF-Tennisregeln; hinzu kommen die Wettspielordnung, die Turnierordnung von DTB und TVN sowie der Verhaltenskodex. Beste Voraussetzungen also, bei strittigen Situationen auf dem Platz für Ruhe, Aufklärung und korrekten Ablauf sorgen zu können.
Vor dem Lehrgang gibt es bereits vorbereitendes Material für jeden Teilnehmenden, sodass währenddessen vor den Prüfungen noch sehr häufig spezielle Fragen beantwortet werden können. „Wir verlangen den Teilnehmenden schon eine Menge ab“, erklärt Lehrgangsleiter Matthias Nickel, TVN-Referent für Regelkunde und Schiedsrichterwesen, „denn letztlich müssen wir sie so ideal wie möglich auf den entsprechenden Einsatz auf dem Platz vorbereiten. Da gibt’s kein Durchwinken.“ Etwa 40, zum Teil sehr spezielle Fragen müssen alle Absolventen schriftlich beantworten, während für die Oberschiedsrichterkandidaten noch zwei weitere schriftliche Tests dazukommen. Eine Menge Holz in kürzester Zeit also – neun Stunden am Samstag und rund acht am Sonntag, inklusive Test und Mittagessen. Laut abschließender Plenumsdiskussion sei die Konzentration des Lehrgangs am Wochenende aber generell die sinnvollste, vor allem in Sachen Anreise und Zeitmanagement, darin sind sich die meisten Teilnehmenden einig – denn effektiver ist das Vorbereiten auf die Tatsache, die Kontrolle über das gesamte Geschehen auf dem Platz zu haben, kaum machbar.
Am Ende des Lehrgangs geht’s dann aber doch um die Wurst, ganz wie bei der Fahrprüfung, wenn die Leiter individuell „bestanden“ oder „nicht bestanden“ mitteilen. „Die Durchfallquote liegt in der Regel bei circa 20%“, offenbart Lehrgangsleiter Matthias Nickel, „aber wir bieten zum Beispiel den Wackelkandidaten am Ende dann schon noch eine Nachprüfung an.“

Es gibt bei diesem Lehrgang nur wenige, die nicht bestehen. Dementsprechend sieht man an diesem Tag im Tenniszentrum Essen meist strahlende Gesichter und, Perspektivwechsel, „demnächst auf jeden Fall gute Spiele, für die man auch noch eine Aufwandsentschädigung bekommt“, flachst Ina aus Krefeld nach bestandener C-Lizenz und liefert damit noch einen weiteren Grund, sich bei einem Schiedsrichterlehrgang anzumelden.
Die theoretischen Grundlagen sind also geschaffen. Alles Weitere müssen die künftigen Unparteiischen nun selbst in Angriff nehmen und können dabei vor allem auch ihr oft notwendiges Fingerspitzengefühl ganz individuell entwickeln.

Der nächste Lehrgang steht übrigens im Herbst an, weshalb das Thema Schiedsrichter auch weiterhin im Fokus bleiben wird.
Link: Detaillierte Informationen zur Schiedsrichterausbildung im TVN